Sonntag, 25. Februar 2007
(All)tag

Einen guten Tag wünscht man, für den Tagesanbruch sorgt die Erdumdrehung, und der Alltag kommt von allein. In der Sprache muss der Tag für vieles alles herhalten - weit über den Zeitraum von morgens bis abends hinaus.

Zum Alltag wird der Tag durch die Gewohnheit, Tag für Tag heißt es aufstehen, mit den Kindern noch frühstücken, zur Arbeit gehen, die Nachbarn und Kollegen treffen, freundlich dem Chef einen guten Tag wünschen, denselben Platz im Büro oder an der Maschine einnehmen und so weiter.

Tagaus, tagein
Dieses tagaus, tagein dasselbe tun, die Wiederkehr des Gleichen und Gewohnten, wird manchen oft zu viel oder eher zu wenig, weil zu wenig anregend, aufregend und abwechslungsreich. Ein Ausflug, Urlaub oder auch ein Hobby können da helfen, aus dem Alltag bzw. dem täglichen Einerlei auszubrechen.

Doch das Besondere ist eine flüchtige Angelegenheit. Auch die ausgefallenste Sache wird durch häufige Wiederholung alltäglich, ob es nun feines Essen, ein Autorennen oder die Sonne des Südens ist. Selbst wer die Nacht zum Tag macht und lieber dann arbeitet oder feiert, wenn andere schlafen, wird dessen irgendwann müde.

Typen gibt’s
Nicht nur Nachtmenschen brauchen ein tolerantes Umfeld. Wer jeden Sinn für die Realität verloren hat und in der Welt seiner Fantasie lebt, ist ein Tagträumer und mithin schwer zu ertragen. Nicht einfacher ist der Umgang mit denen, die so in den Tag hinein leben und angesichts von Spülbergen in der Küche und dem überquellenden Mülleimer das Motto vertreten: "Morgen ist auch noch ein Tag". Dazu braucht es einen toleranten Partner oder einen, der auch gerne putzt. Andererseits, wer den lieben langen Tag kaum etwas anderes macht als Fenster putzen, Staub wischen und Gläser polieren, benötigt ebenfalls einen Menschen mit viel Gleichmut an seiner Seite.

Derlei Charaktere zeigen sich natürlich erst, wenn aus der flüchtigen Bekanntschaft mehr geworden ist. Spätestens dann sollte man genauer über die Beziehung nachdenken und die Dinge bei Tag besehen. Und dann nicht ewig und drei Tage warten, bis man dem geliebten Menschen sagt, dass man offene Zahnpastatuben auf den Tod nicht ausstehen kann und die Butter nicht ins Gemüsefach gehört. Nachsicht ist aber Frauen gegenüber geboten, die gerade ihre Tage haben: Menstruationsbeschwerden führen bisweilen zu schlechter Laune und können sehr schmerzhaft sein. Wenn sich Charaktere allerdings wie Tag und Nacht unterscheiden, steht so manche Partnerschaft von Beginn an auf dem Prüfstand.

So ein Tag, so wunderschön wie heute
Tage stehlen ist zwar nicht strafbar, aber Menschen, die es tun, sind ärgerlich. Meistens handelt es sich um aufdringliche Vertreter, die einem an der Tür einen Staubsauger aufschwatzen wollen oder um den Nachbarn, dessen ausführlich erzählte Krankheitsgeschichte kein Ende finden will.

"So ein Tag, so wunderschön wie heute, der sollte nie vergehen", wird in einem alten Mainzer Karnevalslied gesungen. Für manchen kann er nicht schnell genug zu Ende gehen. Die Zeugnisausgabe, das von Turbulenzen geschüttelte Flugzeug, die Geschwindigkeitskontrolle, wo man es grad doch so eilig hat - all diese Ereignisse dienen dazu, einem den Tag kaputt zu machen. Der geht natürlich weiter, doch am liebsten würde man ihn aus dem Kalender streichen. Das gilt übrigens auch für Tage, an denen man seine Kaffeetasse umstößt, den Bus zur Arbeit verpasst und dabei auch noch das Handy zu Hause vergisst. Dann heißt es für viele: Das ist nicht mein Tag!

Aller Tage Abend
Wer betont, man solle den Tag nicht vor dem Abend loben, ahnt vielleicht, dass da im Laufe des Tages noch eine böse Überraschung droht. Ein Pessimist ist er deshalb noch nicht, es sei denn, er lobt aus schlechter Gewohnheit gar nie, weil immer noch etwas schief gehen kann. Es ist nicht aller Tage Abend kann man dagegen eindeutig dem Optimisten zuschreiben. Und besser ist es ja auch, immer noch auf eine gute Wende zu hoffen.

Unsere Tage sind gezählt, das wissen wir, wenn wir nicht wissen, wie viele es noch genau sind bis zu unserem Tod. Besonders wenn wir selbst oder Freunde oder Verwandte von Krankheit betroffen sind, wird uns diese Endlichkeit deutlich und mit ihr die Einsicht des carpe diem – nutze den Tag! Vom Jüngsten Tag zu sprechen hat immer etwas Bedrohliches. Unheilvolles schwingt hier mit, obwohl der Jüngste Tag doch im Grunde nur ankündigt, dass das eine vergeht und das andere kommt. So folgt auf den Jüngsten Tag (zumindest nach christlicher Überzeugung) ein neuer Morgen.

Fragen zum Text
Wenn jemand tagaus, tagein dasselbe tut, dann...
1. macht er/sie die Nacht zum Tage.
2. lebt er/sie in den Tag hinein.
3. kehrt schnell der Alltag ein.

Ein Tagträumer ist jemand, der...
1. tagsüber schläft.
2. tagelang schläft.
3. jeden Sinn für die Realität verloren hat.

Wer betont, man solle den Tag nicht vor dem Abend loben...
1. ahnt noch eine böse Überraschung.
2. ist ein Pessimist.
3. hat einen schlechten Tag gehabt.

Arbeitsauftrag
Tun Sie tagein, tagaus dasselbe? Ist in Ihrem Leben schon der Alltag eingekehrt? Beschreiben Sie Ihren Tagesablauf in einem kurzen Aufsatz. >>Günther Birkenstock<<
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Donnerstag, 22. Februar 2007
Die Kunst der Worte

Wer hat nicht schon einmal die Nacht durchgelesen, weil ihn ein Buch nicht losgelassen hat. Gute Schriftsteller beherrschen die Kunst, Buchstaben in lebendige Geschichten zu verwandeln und damit Leser zu fesseln.

Sprecherin:
Die Kunst der Worte, die Kunst, Buchstaben in lebendige Geschichten zu verwandeln und damit Leser zu fesseln – das ist das Talent, das einen Schriftsteller ausmacht. Der Schriftsteller, derjenige, der eine Schrift, also einen Text, erstellt, war noch bis zum 16. Jahrhundert dafür zuständig, Rechts- oder Bittschriften aufzusetzen. Seit dem 17. Jahrhundert wird das Wort Schriftsteller nur noch als Berufsbezeichnung für denjenigen verwendet, der Romane, Erzählungen, Gedichte oder Sachbücher schreibt.

Sprecher:
Ein bekannter deutscher Schriftsteller ist Wolfgang Bittner. Der Sechzigjährige stammt aus Gleiwitz in Oberschlesien, ist an der Nordseeküste aufgewachsen und lebt heute in Köln. Er hat über dreißig Bücher geschrieben. Viele davon sind in andere Sprachen übersetzt worden. Wolfgang Bittner ist mit zahlreichen Literaturpreisen ausgezeichnet worden.

Wolfgang Bittner:
"Das Schreiben macht mir Spaß. Es ist harte Arbeit, herauszufinden, wie man etwas formuliert. Das, was sich gedanklich vorbereitet, in Worte zu fassen, aufs Papier zu bringen. Und zwar so, dass man hinterher mit dem Ergebnis zufrieden ist, oder dass es sogar übertroffen wird von dem, was man im Kopf hatte. Das ist harte Arbeit."

Sprecherin:
Etwas in Worte zu fassen ist ein eleganter Ausdruck dafür, etwas zu formulieren, etwas in Worten auszudrücken. Der Wortstamm geht zurück auf das altnordische "fata", "zusammenfügen". Aus dem gleichen Stamm leitet sich auch das Substantiv Verfasser ab. Ein Verfasser hat ebenfalls einen Text hergestellt. Allerdings ist Verfasser keine Berufsbezeichnung, wie Schriftsteller. Verfasser ist jeder, der einen Text, gleich welcher Art, geschrieben – man sagt auch verfasst - hat. Schreibt man zum Beispiel einen Brief, ist man der Verfasser des Briefes. Aber deswegen noch lange kein Schriftsteller.

Sprecher:
Ein Schriftsteller dagegen ist immer auch ein Verfasser. Nämlich der Verfasser der eigenen Texte. Wolfgang Bittner hat seine schriftstellerische Begabung bereits als Kind entdeckt. Trotzdem hat er zunächst den Beruf des Rechtsanwalts erlernt und das Studium der Rechtswissenschaften sogar mit einem Doktortitel abgeschlossen. Seine Liebe zur Literatur war jedoch größer.

Wolfgang Bittner:
"Ich hatte eigentlich immer vor, Schriftsteller zu werden. Aber mir hat zeitweise auch die Juristerei durchaus zugesagt. Bis ich eben merkte, das ist nicht das, was ich bis an mein Lebensende machen möchte. Ich habe während des Studiums dann vermehrt angefangen, für Zeitungen zu arbeiten, auch für den Rundfunk. Das trainiert natürlich auch das Schreiben, so dass sich das allmählich vorbereitet hat. Man kann ja nicht heute sagen, ab morgen bin ich Schriftsteller. Das klappt ja nicht. Sondern man muss das ausprobieren, auch, ob das finanziell geht, freiberuflich als Schriftsteller tätig zu sein. Denn es gibt ja viele. Aber in den seltensten Fällen klappt das."

Sprecherin:
Der Ausdruck etwas klappt oder etwas klappt nicht anstelle von "etwas funktioniert" oder "etwas funktioniert nicht" ist im Deutschen sehr gebräuchlich. Er leitet sich ab von dem Verb klappen, der Bezeichnung für "mit einem leichten Geräusch aufeinandertreffen, einrasten". Aus der Vorstellung von ineinander einrastenden Werkstücken beziehungsweise aus dem Auftreffen auf ein Ziel leitet sich die übertragene Bedeutung von klappen als "gut funktionieren" ab.

Sprecher:
Fast jeder Schriftsteller braucht viel Geduld, bis es mit dem Erfolg als Buchautor klappt. Der Weg vom Manuskript, dem selbstgeschriebenen Text, abgeleitet vom lateinischen "manu scriptus", mit der Hand geschrieben, bis zum gedruckten Buch ist lang. Vor allem, wenn der Verfasser oder die Verfasserin noch jung und unbekannt ist.

Wolfgang Bittner:
"Ich habe mehrere Jahre, Ende der 70er Jahre, an einem Roman gearbeitet, 'Der Aufsteiger, oder ein Versuch, zu leben'. Das wurde damals ein literarischer Bestseller. Das Manuskript habe ich mindestens vier oder fünf Verlagen angeboten, bis es angenommen wurde."

Sprecherin:
Das englische Leihwort Bestseller ist, in Bezug auf Bücher, ein fester Bestandteil der deutschen Sprache geworden. Ein Bestseller ist ein Buch, das außerordentlich hohe Verkaufszahlen erzielt. Ein eigenes deutsches Wort mit der selben Bedeutung gibt es nicht. Allerdings wird der Begriff Bestseller nur und ausschließlich für Bücher verwendet. Auf andere Artikel, egal, wie gut sie sich verkaufen mögen, findet er keine Anwendung.

Sprecher:
Jeder Schriftsteller träumt davon, mindestens einmal im Lauf seiner Karriere einen Bestseller zu schreiben. Denn ein Buch, das sich sehr oft verkauft, bringt nicht nur Berühmtheit, sondern auch gute Einnahmen. Das Honorar eines Schriftstellers setzt sich zusammen aus einer Summe, die er für seinen Text bekommt, und einer Beteiligung am Verkauf des fertigen Buches. Verkauft sich das Buch gut, verdient der Schriftsteller mehr. Trotzdem muss er fleißig sein und viel und gut schreiben, um seinen Lebensunterhalt bestreiten zu können.

Wolfgang Bittner:
"Von einem Buch, selbst wenn man mal ein Buch hat, das gut läuft, kann man nicht so lange leben, wie manche meinen. Man muss immer mal ein Buch haben, das gut geht. Es sind Ausnahmefälle, wo eine Autorin oder ein Autor, wie zum Beispiel Frau Rowling mit 'Harry Potter', Millionärin wird."

Sprecherin:
Etwas, das gut läuft, oder gut geht, ist erfolgreich. Der Ausdruck ist in den unterschiedlichsten Zusammenhängen gebräuchlich. So kann zum Beispiel eine Karriere gut laufen, aber auch ein Fußballspiel, eine Prüfung oder eben der Verkauf eines Buches. Die Bücher über den Zauberlehrling Harry Potter, die die britische Schriftstellerin Joanne K. Rowling verfasst hat, laufen in der Tat außerordentlich gut.

Sprecher:
Wolfgang Bittner schreibt neben Literatur für Erwachsene auch Bücher für Jugendliche und Kinder. An alle Texte, egal, ob sie von jungen oder älteren Menschen gelesen werden, verwendet er die gleiche Sorgfalt.

Wolfgang Bittner:
"Ich finde, dass Bücher, auch so genannte hochwertige Literatur, den Leser nicht unbedingt langweilen muss. Ich persönlich versuche einerseits zu unterhalten, andererseits versuche ich aber auch, einige Gedanken zu transportieren in meinen Romanen, in Gedichten, in Geschichten, die mir wichtig erscheinen."

Sprecherin:
Der Roman, abgeleitet vom altfranzösischen "romanz", einer Erzählung in französischer Sprache, ist eine umfangreiche Erzählung, lang genug, um ein ganzes Buch zu füllen. Eine kürzere Erzählung, von deren Sorte mehrere in ein Buch passen würden, ist eine Novelle. Ein Text oder eine Abhandlung, die nur eine, oder wenige Seiten umfasst, ist ein Essay, zu deutsch Aufsatz.

Sprecher:
Romane, Novellen oder Essays sind in Prosa abgefasst. Prosa, vom lateinischen "oratio prosa", ungebundene Rede, bezeichnet eine Sprache, die der gesprochenen Sprache entspricht. Das Gegenstück zur Prosa ist das Gedicht. In Gedichten ist die Sprache auf besondere Weise gebunden, in Zeilen, manchmal in Reime gefasst, eben verdichtet. Zur Prosaliteratur gehört auch Wolfgang Bittners Jugendbuch "Die Fährte des grauen Bären". Dieser Roman ist eines seiner erfolgreichsten und meistverkauften Werke. Es schildert das Schicksal einer Gruppe junger Deutscher, die in der kanadischen Wildnis ein Leben fernab der Zivilisation versuchen.

Zitat:
Aus "Die Fährte des grauen Bären":

"Am Anleger saßen Manfred, Gordon und Linda, die ein übelriechende Tabakspfeife herumgehen ließen. Stefan setzte sich zu ihnen und schnüffelte. 'Das stinkt ja wie angebrannte Socken! Was raucht ihr denn da?' 'Wir nennen es Kinnik-Kinnik. So heißt bei den Indianern der Tabak. Ist aus getrockneten Blättern mit Majoran und Thymian gemischt.' Gordon grinste. 'Ist auch noch ein bisschen Stoff dabei,' ergänzte er. 'Stoff?' 'Gras,' lachte Gordon. 'Willst'e auch 'nen Zug?' Stefan lehnte dankend ab. 'Ich bin doch nicht in den Busch gekommen, um mir hier so ein Zeug reinzuziehen!"

Sprecherin:
Sich etwas reinziehen ist ein umgangssprachlicher Ausdruck dafür, etwas zu sich zu nehmen, etwas zu konsumieren. Der Begriff ist ein typisches Beispiel für Jugendsprache.

Sprecher:
Ein Schriftsteller, der für junge Leser schreibt, muss sich natürlich auch in der Sprache der jungen Leute ausdrücken können. Dabei darf er nicht vor Ausdrücken zurückschrecken, die unter Kindern und Jugendlichen gerade modern sind. Auch, wenn er sie in Texten für Erwachsene nicht verwenden würde, weil sie nicht zur Hochsprache gehören. Wolfgang Bittner findet seine Anregungen dabei im eigenen Haus.

Wolfgang Bittner:
"Das hing mit meinen eigenen Kindern zusammen. Ich habe drei Kinder, die nun allerdings schon etwas älter sind. Ich musste zum Beispiel meiner Tochter, die inzwischen 26 Jahre alt ist und Psychologie studiert, abends, wenn sie ins Bett ging, immer etwas vorlesen, weil sie nicht einschlafen konnte. Und manchmal hab ich mir dann Notizen gemacht, oder sogar eine Skizze aufgeschrieben. Ich habe eine ganze Schublade voll solcher Skizzen. Und ab und zu greif' ich hinein, und dann entsteht, wenn ich Glück habe, ein neues Bilderbuch."

Sprecherin:
Ein Bilderbuch ist ein Buch für ganz kleine Kinder. Ein Buch, das hauptsächlich aus Bildern besteht, und in dem nur ganz wenig, manchmal gar kein Text vorkommt.

Wolfgang Bittner:
"Ich habe gerade ein neues Buch veröffentlicht, 'Beruf Schriftsteller'. Nach zwei, drei Monaten waren etwa 30 Besprechungen da, überwiegend sehr positiv, aber eben auch zwei Verrisse, die mir dann doch zu schaffen machten, weil ich feststellte, das ist unfair, was da mit diesem Buch geschieht und mit dem Autor."

Sprecherin:
Der Verriss ist bei allen Künstlern gefürchtet. Ein Verriss, vom mittelhochdeutschen "verrizen", zerreißen, ist eine vernichtend schlechte Kritik. Solche Kritiken stehen für gewöhnlich in der Zeitung, und jedermann kann sie lesen. Sie können Bücher und ihre Verfasser treffen, aber auch Schauspieler, Sänger und andere Künstler.

Sprecher:
Außer den Kritikern können auch die Verlage den Schriftstellern das Leben schwer machen. Verlage sind die Institutionen, die einen Text drucken und als Buch auf den Markt bringen. Man sagt dazu auch, ein Buch verlegen. Der Begriff Verlag für eine Firma, die Druckwerke herausgibt, hat sich im 17. Jahrhundert entwickelt. Er leitet sich vom Begriff "auslegen" ab, also, Geld für jemanden oder etwas, in diesem Fall eben Drucke, zur Verfügung stellen. Da Verlage an den Büchern ihrer Schriftsteller verdienen, mischen sie sich manchmal stark in die künstlerische Arbeit ein.

Wolfgang Bittner:
"Ich bin immer ganz froh, wenn ich dem deutschen Literaturbetrieb für einige Wochen und Monate den Rücken kehren kann. Das geht doch recht neurotisch und oft auch intrigant zu. Sie machen einem Vorgaben und bevormunden einen sehr stark.

Sprecherin:
Manchmal werden Schriftsteller von den Verlagen bevormundet. Das Verb bevormunden, ebenso wie das dazugehörige Substantiv Vormund, geht zurück auf das althochdeutsche "foramunto", was so viel bedeutet wie "Rechtsbeistand", "Rechtsvertreter". Ein Vormund kann für eine andere Person Entscheidungen treffen. Bevormunden bedeutet also, jemanden in seiner Entscheidungsfreiheit einzuschränken, jemandem Ideen oder Entscheidungen aufzuzwingen.

Sprecher:
Der Schriftsteller Wolfgang Bittner pflegt sich in die kanadische Wildnis zurückzuziehen, wenn ihn der heimische Literaturbetrieb zu bevormunden beginnt. In der urwüchsigen Landschaft schöpft er Kraft. Außerdem war sie ihm bereits Inspiration für vier Romane. Einer davon ist "Die Fährte des grauen Bären". An einer Stelle versucht der junge Deutsche Stefan, Kanufahren zu lernen.

Zitat:
Aus "Die Fährte des grauen Bären":

"Sie zogen noch eine Runde über die Bucht und kamen wieder zum Anleger zurück. Gordon sprang hinaus und hielt das Boot fest, damit Stefan ebenfalls aussteigen konnte. Stefan merkte, wie die anderen gespannt zuschauten. 'Guckt ihr nur. Ganz so ungeschickt, wie ihr glaubt, bin ich nun auch wieder nicht.' Aber gerade in dem Moment, in dem er einen Fuß noch im Boot, und einen auf dem Anleger hatte, ließ Gordon los. So unerwartet, dass Stefan sofort sein Gleichgewicht verlor. Verzweifelt versuchte er, sich vom Kanu abzustoßen, doch es glitt unter ihm weg. Und ehe er sich's versah, schlug das Wasser über seinem Kopf zusammen."

Sprecherin:
Stefan taucht unversehrt wieder auf. Nur das Gelächter der anderen muss er ertragen. "Die Fährte des grauen Bären" ist ein Buch, das Wolfgang Bittner oft mitnimmt, wenn er Lesungen in Schulen hält. Lesungen, also öffentliche Vorträge aus eigenen Werken, sind ein wichtiger Bestandteil im Alltag eines Schriftstellers. Sie ermöglichen ihm den direkten Kontakt zu seinem Publikum und tragen dazu bei, ihn und seine Werke bekannt zu machen.

Sprecher:
Auch wenn Wolfgang Bittner noch nicht verrät, welches Thema sein nächstes Buch behandeln wird – etwas wird auf jeden Fall im Mittelpunkt stehen, ganz, wie es sich für einen guten Schriftsteller gehört: die Kunst, Buchstaben in lebendige Geschichten zu verwandeln und damit Leser zu fesseln, die Kunst der Worte.

Fragen zum Text

Wer oder was ist ein Verfasser?
1. jemand, der einen Text, gleich welcher Art, geschrieben hat
2. jemand, der in schlechter Verfassung ist
3. jemand, der alles anfassen muss

Was ist ein Bestseller?
1. ein Buch, das sich schlecht verkauft
2. ein Buch, das sich sehr gut verkauft
3. ein Spielzeug, das sich sehr gut verkauft

Was bedeutet das Verb bevormunden?
1. jemandem alle Freiheiten lassen
2. jemandem Entscheidungen aufzuzwingen
3. jemanden küssen

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Stellen Sie Ihrer Klasse Ihr Lieblingsbuch vor. Erklären Sie worum es geht, welche Personen darin vorkommen und was Ihnen daran so gut gefällt. Lesen Sie außerdem einen interessanten Abschnitt daraus vor.

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Mittwoch, 14. Februar 2007
Kleider machen Leute

„Wenn wir es recht überdenken, so stecken wir doch alle nackt in unsern Kleidern“, sinnierte einst Heinrich Heine. Genau: Wir stecken in den Kleidern und die Kleider hängen an uns. Und schön ist’s, wenn sie auch passen.

Kleidung ist eine Äußerlichkeit. Und vom Äußeren sollte man nicht auf das Wesen eines Menschen schließen. Davor warnen Redensarten wie "Außen hui, innen pfui" oder "der Schein trügt".

Die einen ziehen den Hut, die andren ziehen sich aus
Dennoch gilt "Kleider machen Leute": und, trotz "hui" und "pfui": Leute machen Kleidervorschriften. Versuchen Sie mal –und wären Sie das reinste Wesen auf Erden- in Unterhose ein Gotteshaus zu betreten. Oder gehen Sie zu einem wichtigen Fußballspiel in exakt den Zuschauerblock, in dem sich die fanatischen Fans der Heimmannschaft dicht an dicht drängen und nur Sie tragen –weil es Ihnen gefällt- das Trikot der gegnerischen Mannschaft ...Nein, nein, Wie man es dreht und wendet, mag auch jeder wissen, daß der Schein trügt, es ist doch nicht alles Jacke wie Hose.

"Kleider machen Leute". Die Redensart ist alt. Bereits in der Mitte des 16. Jahrhunderts wird sie in einer Erzählung verwendet. Der Inhalt: Ein Gelehrter geht in seinem Alltagsgewand über den Markt. Keiner grüßt ihn. Er macht die Probe aufs Exempel und geht den selben Weg noch einmal, aber im Festgewand. Und jeder zieht den Hut vor ihm. Wütend geht der Gelehrte heim, zieht sich aus, trampelt wütend auf seinen Kleidern herum und beschimpft sie: "Bistu dann der Doctor, oder bin ich er?"

Putz und Schutz
Der vornehme Schneider nennt sich gerne "Kleidermacher", dessen "Couture" sich nicht jeder leisten kann, ohne die ganz großen "Spendierhosen" anzuhaben. Vornehme Kleider zieht man auch anders an als die Alltagsklamotten. Die einen kann man "anlegen" , in die andern kann man sich bloß "reinwerfen". Ausnahme: man kann sich "in Schale werfen". Bei dieser Redensart wird die Vornehmheit durch das "werfen" kräftig ironisiert.

Die "Schale" aber verweist auf die Schutzfunktion der Kleidung, zum einen vor Witterung, zum anderen vor Nähe. Merkwürdig: in Schale sehen wir aus, wie aus dem Ei gepellt. Kleidung ist Verkleidung. Sein "Outfit" verändert gern, wer einem Idol nacheifert, in der Hoffnung ihm durch ähnliche Kleidung näher zu kommen. Das "Dazu-gehören-wollen" drückt sich oft in der Kleidung aus. Das kann eine Uniform sein, ein Fußballtrikot (nicht das falsche!) oder auch ein Anstecker, z.B. der Friedenstauben-Button der frühen 80er Jahre.

Die Flüsterkleider
Kleider sprechen. Immer. Ob es der Träger will oder nicht. Eine verwaschene Latzhose sagt etwas anderes aus als ein schicker Nadelstreifenanzug. Kleider können dem Träger Gewicht verleihen oder Leichtigkeit. Letzteres beweist das wohl bekannteste deutsche Kinderlied. Es erzählt vom kleinen Hans, der in die weite Welt hinauswandert, versehen mit den richtigen Accessoires: "Stock und Hut, steht ihm gut, ist gar wohlgemut." Nicht verschwiegen werden darf, dass es im Lied mit einem großen "aber" weitergeht. "Aber Mutter weinet sehr, hat ja nun kein Hänschen mehr!"

Na, da hat sich der Sohn vom mütterlichen Rockzipfel befreit. Dort hängen Kinder normalerweise. Freilich: am Rockzipfel der Mama hängen auch Kinder, die schon erwachsen sind, Erwachsene, die sich nicht recht ins Leben trauen. Vielleicht aus Angst, alles könnte in die Hose gehen.

Männer mit Manschetten
Was aber genau geht in die Hose? Im nettesten, dem stubenreinen Fall, ist es das Herz, das in die Hose rutscht, im anderen Falle redet man auch vom "Hosenscheißer". Angsthase könnte man auch sagen. Der Hosenscheißer findet seine vornehmere Entsprechung im Manne, der Manschetten hat. Um 1750 gab es die Mode der so genannten "überfallenden Manschetten". Die hinderten den Gebrauch des Degens. Wer Manschetten trug, galt deshalb als modischer Zärtling, der bestimmt auch zu Hause bei seiner Ehegattin die Hosen voll hatte, wenn er sie denn überhaupt anhatte, die Hosen.

Um die Hose thematisch zu schließen, sei noch erwähnt: wer die Hosen runterlässt, muss kein Exhibitionist sein. Kann sein - im übertragenen Sinne - er ist pleite und muss alle Finanzen offen legen, sich finanziell "nackt" zeigen. So etwas bleibt einem nicht "in den Kleidern hängen", dazu geht es zu tief. Man schämt sich.

Volle Hosen, leere Hosen
Deswegen kenne ich auch keinen, der schon mal die Hosen runter gelassen hat. Nun, wie es drunter aussieht, geht auch niemanden was an. Auch zu diesem Zweck tragen wir drüber Kleider.

Fragen zum Text

Ein Schneider ist jemand, der...
A. Kleidung näht.
B. Fliegen fängt.
C. Riesen tötet.

Wenn sich jemand in Schale wirft, dann...
A. verkleidet er/ sie sich als Orange.
B. legt er/sie eine Rüstung an.
C. zieht er/sie schicke Kleidung an.

Die Redensart die Hosen runter lassen bedeutet, dass...
A. jemand pleite ist und alle Finanzen offen legen muss.
B. jemand sich gerne in der Öffentlichkeit nackt auszieht.
C. jemand stark zugenommen hat.

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Kleider machen Leute – was ist ihre Lieblingskleidung? Beschreiben Sie die Anziehsachen, die Sie am liebsten tragen und erklären Sie, warum Sie gerade das Hemd, die Hose oder diesen Rock am allerliebsten anziehen. >>Stefan Reusch<<
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Samstag, 10. Februar 2007
Blockade

Blockieren kann man vieles. Besonders beliebte Blockadeobjekte waren in der Vergangenheit etwa England, Berlin, diverse Militärgelände, Castortransporte oder auch das eigene Denken.

Unser Stichwort diese Woche ist Blockade. Das Wort ist eine so genannte französisierende Bildung. Das bedeutet, dass es lediglich französisch klingt, aber kein rein französisches Wort ist. Blockade nämlich heißt in der Sprache unsere Nachbarn blocage.

Woher kommt der Block?
Wann und woher aber kam 'bloc' mit 'c' - die Schreibweise ist fast unerheblich - ins Französische? Mit großer Wahrscheinlichkeit aus dem Mittelniederländischen und zwar schon im 13. Jahrhundert. Bloc war das Wort für den rohen, grob behauenen Baumstamm oder auch Baumstumpf.

Das Wort Blockhaus erklärt sich direkt aus dieser Bedeutung von Block und ist fast gleichzeitig mit Block ebenfalls ins damalige Französisch eingewandert. blockhaus, fest im französischen Wortschatz verankert, und von der deutschen Schreibweise lediglich durch das kleine 'b' unterschieden, ist noch heute das Wort für das, was auch im Deutschen unter einem Blockhaus verstanden wird; beziehungsweise einem gepanzerten Befehlsstand oder einem kleineren Bunker.

Unüberwindbare Stabilität
Das Blockhaus aus schweren Holzstämmen zusammengezimmert, ist eine stabile Sache. So bestanden die frühen militärischen Bollwerke, die Forts, aus Blockhäusern mit schwer überwindlichen Zäunen, den Palisaden. Diese hölzernen Festungen waren oft Grenzsicherungen. Sie blockierten die freie Durch- oder Weiterfahrt.

Blockieren, das Verbum, ist als direkte Ableitung des französischen bloquer während des 17. Jahrhunderts ins Deutsche gelangt. Es hatte zunächst wie Blockade auch eine rein militärische Bedeutung. Wobei noch eine kleine sprachgeschichtliche Anmerkung zu Blockade nachzutragen ist: Mit großer Wahrscheinlichkeit wurde es aus dem italienischen bloccata entlehnt, das wiederum aus dem... na, Sie wissen schon.

Kein Entkommen
Also: Blockade und blockieren. Blockade heißt militärisch Ein- oder Absperrung, Einschließung, Einkreisung und Einkesselung. Ziel der Blockade ist es, die Bewegungsunfähigkeit des Gegners zu erreichen. Das kann mit unterschiedlichen Mitteln zu unterschiedlichen Zwecken geschehen. Es gibt Seeblockaden, durch die die Ein- beziehungsweise Ausfahrt von gegnerischen Schiffen verhindert wird, Wirtschaftsblockaden, mit denen ein Land oder mehrere Länder unter Druck gesetzt werden, um politische Zugeständnisse zu erzwingen.

Das alles ist etwas vereinfacht ausgedrückt, trifft aber den Kern der Sache. Die schwerwiegendste Blockade der jüngeren deutschen Geschichte war die Berliner Blockade. Die damalige sowjetische Besatzungsmacht in Deutschland verfügte die totale Sperrung aller Land- und Wasserwege von und nach Westberlin. Die Berliner Blockade dauerte vom 24.06.1948 bis zum 12.05.1949.

Musterblockade
Als - wenn man so will - Musterbeispiel einer allumfassenden Blockade ist jene anzusehen, die Napoleon I. gegen England am 21. November 1806 erließ. Unter dem Begriff Kontinentalsperre ist sie in die Geschichte eingegangen.

Blockade und blockieren sind Wörter, die seit dem frühen 20. Jahrhundert als Fachausdrücke auch in der Sprache der Technik, Medizin und Psychologie gebraucht werden. Beispiel: Um zu verhindern, dass Laufräder bei Fahrzeugen während des Bremsvorganges nicht mehr ohne Drehbewegung gleiten, also blockieren, ist in Autos ein Antiblockiersystem, kurz ABS, eingebaut.

Blockierungen beim Menschen mittels Einbau eines technischen Systems aufzuheben, ist nur bedingt möglich. Blockierungen der Atemwege, unterbrochene, sprich blockierte Nervenleitungen haben oft vielfältige Ursachen. Die inneren Blockierungen, die seelischen Blockaden, das sind Störungen psychischer Vorgänge; Verdrängungen, Lähmungen und Hemmungen. Sie aufzuheben erfordert ausgeklügelte Diagnose- und Behandlungsmethoden, die sich von Fall zu Fall unterscheiden.

Total blockiert
Am schwierigsten ist wohl den Denkblockaden beizukommen. Wer nicht denken will, der will halt nicht.

Fragen zum Text
Was ist ein Blockhaus?
A. ein kleiner Bunker
B. ein gemütliches Holzhaus
C. ein Haus in einer blockierten Zone

Wie lautet das Verb zu Blockade?
A. blockagieren
B. blockieren
C. blockadieren

Was wird im Text als Musterbeispiel einer allumfassenden Blockade bezeichnet?
A. die Berliner Blockade
B. die Denkblockade
C. die Blockade Englands durch Napoleon

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Informieren Sie sich genauer über die Berliner Blockade. Bereiten Sie eine kurze Präsentation vor und erklären Sie die genauen Umstände der Blockade. >>Michael Utz<<
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