Mittwoch, 14. Februar 2007
Kleider machen Leute

„Wenn wir es recht überdenken, so stecken wir doch alle nackt in unsern Kleidern“, sinnierte einst Heinrich Heine. Genau: Wir stecken in den Kleidern und die Kleider hängen an uns. Und schön ist’s, wenn sie auch passen.

Kleidung ist eine Äußerlichkeit. Und vom Äußeren sollte man nicht auf das Wesen eines Menschen schließen. Davor warnen Redensarten wie "Außen hui, innen pfui" oder "der Schein trügt".

Die einen ziehen den Hut, die andren ziehen sich aus
Dennoch gilt "Kleider machen Leute": und, trotz "hui" und "pfui": Leute machen Kleidervorschriften. Versuchen Sie mal –und wären Sie das reinste Wesen auf Erden- in Unterhose ein Gotteshaus zu betreten. Oder gehen Sie zu einem wichtigen Fußballspiel in exakt den Zuschauerblock, in dem sich die fanatischen Fans der Heimmannschaft dicht an dicht drängen und nur Sie tragen –weil es Ihnen gefällt- das Trikot der gegnerischen Mannschaft ...Nein, nein, Wie man es dreht und wendet, mag auch jeder wissen, daß der Schein trügt, es ist doch nicht alles Jacke wie Hose.

"Kleider machen Leute". Die Redensart ist alt. Bereits in der Mitte des 16. Jahrhunderts wird sie in einer Erzählung verwendet. Der Inhalt: Ein Gelehrter geht in seinem Alltagsgewand über den Markt. Keiner grüßt ihn. Er macht die Probe aufs Exempel und geht den selben Weg noch einmal, aber im Festgewand. Und jeder zieht den Hut vor ihm. Wütend geht der Gelehrte heim, zieht sich aus, trampelt wütend auf seinen Kleidern herum und beschimpft sie: "Bistu dann der Doctor, oder bin ich er?"

Putz und Schutz
Der vornehme Schneider nennt sich gerne "Kleidermacher", dessen "Couture" sich nicht jeder leisten kann, ohne die ganz großen "Spendierhosen" anzuhaben. Vornehme Kleider zieht man auch anders an als die Alltagsklamotten. Die einen kann man "anlegen" , in die andern kann man sich bloß "reinwerfen". Ausnahme: man kann sich "in Schale werfen". Bei dieser Redensart wird die Vornehmheit durch das "werfen" kräftig ironisiert.

Die "Schale" aber verweist auf die Schutzfunktion der Kleidung, zum einen vor Witterung, zum anderen vor Nähe. Merkwürdig: in Schale sehen wir aus, wie aus dem Ei gepellt. Kleidung ist Verkleidung. Sein "Outfit" verändert gern, wer einem Idol nacheifert, in der Hoffnung ihm durch ähnliche Kleidung näher zu kommen. Das "Dazu-gehören-wollen" drückt sich oft in der Kleidung aus. Das kann eine Uniform sein, ein Fußballtrikot (nicht das falsche!) oder auch ein Anstecker, z.B. der Friedenstauben-Button der frühen 80er Jahre.

Die Flüsterkleider
Kleider sprechen. Immer. Ob es der Träger will oder nicht. Eine verwaschene Latzhose sagt etwas anderes aus als ein schicker Nadelstreifenanzug. Kleider können dem Träger Gewicht verleihen oder Leichtigkeit. Letzteres beweist das wohl bekannteste deutsche Kinderlied. Es erzählt vom kleinen Hans, der in die weite Welt hinauswandert, versehen mit den richtigen Accessoires: "Stock und Hut, steht ihm gut, ist gar wohlgemut." Nicht verschwiegen werden darf, dass es im Lied mit einem großen "aber" weitergeht. "Aber Mutter weinet sehr, hat ja nun kein Hänschen mehr!"

Na, da hat sich der Sohn vom mütterlichen Rockzipfel befreit. Dort hängen Kinder normalerweise. Freilich: am Rockzipfel der Mama hängen auch Kinder, die schon erwachsen sind, Erwachsene, die sich nicht recht ins Leben trauen. Vielleicht aus Angst, alles könnte in die Hose gehen.

Männer mit Manschetten
Was aber genau geht in die Hose? Im nettesten, dem stubenreinen Fall, ist es das Herz, das in die Hose rutscht, im anderen Falle redet man auch vom "Hosenscheißer". Angsthase könnte man auch sagen. Der Hosenscheißer findet seine vornehmere Entsprechung im Manne, der Manschetten hat. Um 1750 gab es die Mode der so genannten "überfallenden Manschetten". Die hinderten den Gebrauch des Degens. Wer Manschetten trug, galt deshalb als modischer Zärtling, der bestimmt auch zu Hause bei seiner Ehegattin die Hosen voll hatte, wenn er sie denn überhaupt anhatte, die Hosen.

Um die Hose thematisch zu schließen, sei noch erwähnt: wer die Hosen runterlässt, muss kein Exhibitionist sein. Kann sein - im übertragenen Sinne - er ist pleite und muss alle Finanzen offen legen, sich finanziell "nackt" zeigen. So etwas bleibt einem nicht "in den Kleidern hängen", dazu geht es zu tief. Man schämt sich.

Volle Hosen, leere Hosen
Deswegen kenne ich auch keinen, der schon mal die Hosen runter gelassen hat. Nun, wie es drunter aussieht, geht auch niemanden was an. Auch zu diesem Zweck tragen wir drüber Kleider.

Fragen zum Text

Ein Schneider ist jemand, der...
A. Kleidung näht.
B. Fliegen fängt.
C. Riesen tötet.

Wenn sich jemand in Schale wirft, dann...
A. verkleidet er/ sie sich als Orange.
B. legt er/sie eine Rüstung an.
C. zieht er/sie schicke Kleidung an.

Die Redensart die Hosen runter lassen bedeutet, dass...
A. jemand pleite ist und alle Finanzen offen legen muss.
B. jemand sich gerne in der Öffentlichkeit nackt auszieht.
C. jemand stark zugenommen hat.

Arbeitsauftrag
Kleider machen Leute – was ist ihre Lieblingskleidung? Beschreiben Sie die Anziehsachen, die Sie am liebsten tragen und erklären Sie, warum Sie gerade das Hemd, die Hose oder diesen Rock am allerliebsten anziehen. >>Stefan Reusch<<
agloco.com
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