Mittwoch, 5. September 2007
Clown- und Humortherapie

"Lachen ist gesund" besagt eine alte Volksweisheit. Auch in der Medizin hat diese Weisheit inzwischen Einzug gehalten. Lachen kann Krankheiten vorbeugen oder kranke Menschen bei ihrer Genesung unterstützen.

Sprecherin:
Altbekannte Profis, die die Menschen zum Lachen bringen, sind die Clowns. Jeder von uns hat sie schon in irgendeiner Form gesehen - bei Kindergeburtstagen, auf Straßenfesten oder im Zirkus. Doch Clown ist nicht gleich Clown, weiß Dr. Petra Klapps:

Dr. Petra Klapps:
"Zum einen gibt‘s natürlich... hat jeder Clown seinen eigenen Charakter, aber es gibt auch diese ganz klassischen. Also, es gibt zum einen den 'Weißclown', der eher der Vernünftige ist, der Vertreter der Rationalität. Dann gibt es den Dummen August, den man überwiegend im Zirkus vorfindet, der tollpatschig ist, dem alles misslingt und der in der Regel mit dem Weißclown zusammenarbeitet, von dem dann ständig auch immer wieder zurechtgewiesen wird. Dann gibt es den 'Großen Clown', das heißt, der, der mit wenig Gestik, Mimik alles aussagen kann, groß in seiner Aussagekraft."

Sprecher:

Es heißt nicht, dass jeder, der den Namen "August" trägt, automatisch dumm ist. Der Dumme August ist die Bezeichnung für eine bestimmte Clownfigur, die bereits 1873 von dem Clown Tom Belling ins Leben gerufen wurde. Ursprünglich war der Dumme August die Parodie auf die Figur des Stallmeisters. Heute erkennt man ihn an seinem buntgeschminkten Gesicht und der roten Plastiknase. Tollpatschig bedeutet, dass man besonders ungeschickt ist und ständig über etwas stolpert oder hinfällt. Was bei dem Dummen August auch kein Wunder ist, weil der immer Schuhe trägt, die ihm mindestens zehn Nummern zu groß sind.

Sprecherin:
Clowns treten nicht nur im Zirkus oder auf Festen auf. Sie blicken auch in anderen Bereichen auf eine jahrtausendalte Tradition zurück. Und...

Dr. Petra Klapps:

"...kommen ursprünglich eigentlich aus dem erlauchten Kreise der Medizinmänner, der Schamanen, galten dort als Heiler. Bei vielen indianischen Schamanen oder Indianerstämmen gilt der Clown als Heiler, weil er in der Lage ist, Traurigkeit zu vertreiben und das Volk bei guter Laune zu halten."

Sprecher:

Medizinmänner und Schamanen wissen Rat und helfen bei Krankheiten. Sie kennen sich bestens aus mit Kräutern, geheimnisvollen Mixturen, Zauberformeln und Geistern und gehören dadurch einem erlauchten Kreis an. Das heißt, es sind ganz besonders hochstehende Persönlichkeiten eines Volkes oder Stammes, die über ein großes und vielfältiges Wissen verfügen. Es gibt nur wenige davon, weshalb sie wie Götter verehrt und angebetet werden. In unserer Gesellschaft sind Medizinmänner Ärzte, die aufgrund ihrer weißen Arbeitskleidung auch Götter in Weiß genannt werden.

Sprecherin:

Die Wirkung der Clowns hat Dr. Petra Klapps zu nutzen gewusst. 1998 gründete sie das "Institut Kolibri" - ein Institut für medizinische Clownerie und kreatives Selbstmanagement. "Kolibri" bietet zwei Konzepte an: Einerseits richtet es sich an Patienten im Erwachsenenalter, die in Kliniken nach Schlaganfällen oder Schädel-, Hirnverletzungen therapeutisch betreut werden, andererseits arbeitet "Kolibri" mit Firmen und Unternehmen zusammen,…

Dr. Petra Klapps:

"...die eben mehrfach schon auch Unternehmensberatungen in Anspruch genommen haben und gemerkt haben, dass ihnen das nicht so sehr viel gebracht hat, und die möchten jetzt den humorvolleren Weg gehen und wirklich Clown-Coachings auch buchen."

Sprecher:

Coaching kommt aus dem Englischen und bedeutet so viel wie "jemandem Unterricht erteilen" oder "jemanden trainieren". Bei den Clown-Coachings lernen die Teilnehmer in Wochenendseminaren, wie Lachen und Humor dazu beitragen können, ein besseres Klima in den Unternehmen und unter den Kollegen zu schaffen. Das kann wiederum auch helfen, den wirtschaftlichen Erfolg zu steigern. Eine Seminarteilnehmerin berichtet:

O-Ton:

"Was ich mitnehme - auf jeden Fall - in den Alltag ist, dass der Clown immer ein gutes Ende findet für seine Geschichte, selbst wenn er vor Problemen steht. Dass man nicht in seinen traurigen Stimmungen vielleicht so lange verhaftet, sondern nach einem Ausweg sucht. Und da, denke ich, kann der Clown helfen."

Sprecherin:

Helfen können auch so genannte Lachschulen. Diese schicken Lachlehrer zum Beispiel zu einem Unternehmen; und was dann den Mitarbeitern widerfährt, weiß Petra Klapps:

Dr. Petra Klapps:
"In Firmen werden Teams zusammengestellt - entweder morgens vor der Arbeit oder halt auch währenddessen zum Feierabend noch mal -, dass eine Viertelstunde zusammen gelacht wird. Das heißt, einer lacht vor wirklich, und die anderen lachen nach. Und es soll dazu führen, dass Stresshormone zum Beispiel im Blut herabgesetzt werden, das heißt der Körper oder das Immunsystem gestärkt wird und der Körper weniger krankheitsanfällig ist."

Sprecherin:
Natürlich muss man nicht unbedingt Lachschulen aufsuchen, um mal wieder herzhaft lachen zu können. Der Alltag bietet den meisten von uns sicherlich auch hin und wieder gute Gründe, die Mundwinkel wenigstens ein kleines bisschen nach oben zu bewegen.

Dr. Petra Klapps:

"Es kann auch ein Lächeln ganz gesund sein, so dieses In-sich-hinein-Lächeln. Die Gelassenheit des Lächelns finde ich teilweise wesentlich bedeutsamer als ein pures Lachen, jetzt."

Sprecher:
Wenn in den Firmen am Feierabend gelacht wird, ist das die Zeit nach der Arbeit. Dann begibt man sich im Allgemeinen nach Hause, um den Abend, seinen Feierabend, ruhig zu genießen. Das gelingt natürlich am besten, wenn der Stress und der ganze Ärger weg sind, denn durch Ärger steigt im Blut die Menge der Stresshormone an - wie zum Beispiel Cortisol. Wenn über lange Zeit zu viele dieser Hormone im Blut sind, kann das zu schweren Krankheiten führen, das heißt, der Körper wird krankheitsanfällig. Typische Krankheiten sind Herzinfarkte und Magengeschwüre.

Sprecherin:

Wenn Petra Klapps als Clowntherapeutin im Krankenhaus arbeitet, ist sie ein sehr schüchterner Clown. Sie verkleidet sich, klemmt sich einen roten Plastikball auf die Nase und kommt vorsichtig ins Zimmer geschlichen. Vielleicht setzt sie sich erst einmal in die Ecke und schaut nur herum. Allein dieser Auftritt löst bei manchen Patienten schon ein Lachen oder ein Lächeln aus. Manchmal bekommt sie auch Hilfe.

Dr. Petra Klapps:
"Meinetwegen: Wie steige ich vernünftig in einen Rollstuhl? Und der Clown halt zunächst mit den Knien zuerst auf die Sitzfläche geht, dann, ja, das Gesicht über der Rückenlehne hat und natürlich, wenn er losfährt, gegen die nächste Wand donnert. Ist mir schon passiert, dass ein Patient, der wirklich nicht in der Lage war, bisher zumindest haben wir es alle gedacht, dem Clown dann vormachte, wie das richtig geht, so Rollstuhl fahren. Und wir waren wirklich alle platt."

Sprecher:

Platt bedeutet normalerweise, dass etwas sehr flach ist. Ein Reifen ist zum Beispiel platt, wenn keine Luft mehr drin ist. Oder ein Gebiet wie Norddeutschland ist platt, weil es dort keine Berge gibt. Hier hat platt die umgangssprachliche Bedeutung von sprachlos und erstaunt sein. Wenn Petra Klapps als Clown mit dem Rollstuhl gegen die nächste Wand donnert, dann meint sie damit, dass sie mit enormer Wucht gegen die Wand fährt, was sicher ganz schön wehtun kann.

Sprecherin:
Inzwischen wird die Arbeit von Petra Klapps als Clowntherapeutin akzeptiert. Aber das war nicht immer so. Manche Mediziner in ihren weißen Kitteln haben die promovierte Ärztin argwöhnisch beäugt. Zusätzlich musste sie noch einige Prüfungen über sich ergehen lassen.

Dr. Petra Klapps:

"Oft ist zunächst erst mal ein wenig Skepsis da, bei den Ärzten speziell, oft auch ‘ne Neugierde: Was ist das denn für 'ne komische Kollegin?! Oftmals muss ich auch beim Erstgespräch erst mal noch mal 'ne Facharztprüfung ablegen, damit auch gesehen wird, dass ich wirklich fachlich Ahnung hab', und dann darf ich als Clown losgehen."

Sprecher:

Skepsis kommt aus dem Griechischen und bedeutet "Zweifel" oder "Bedenken". Ein Skeptiker ist ein misstrauischer Mensch, der alles in Frage stellt. Deswegen haben die Ärzte Petra Klapps erst eingehend geprüft, bevor sie als Clown arbeiten durfte. Die Herren in den weißen Kitteln zweifelten daran, dass sie Ahnung von Medizin hat. Dabei hat sie die echte Facharztprüfung, die am Ende eines Medizinstudiums steht, schon längst mit Erfolg hinter sich gebracht.

Sprecherin:
Clowntherapie kommt ursprünglich aus den USA. Was dort bereits seit 25 Jahren praktiziert wird, hat hier erst seit ein paar Jahren Einzug gehalten. In Deutschland arbeiten Clowns vorwiegend in Kinderkliniken. Auf der Kinderkrebsstation der Bonner Uniklinik sind zwei Clowns im Einsatz. Renate Loft vom Verein "Herzenswünsche" hatte die Idee, die Clowns zu engagieren.

Renate Loft:

"Ja, die Clowns haben wir uns erdacht, um eben auf der Station für gute Stimmung zu sorgen. Und indem man Kinder zum Lachen bringt, ist es eigentlich schon gegeben. Und das ganze Krankenpflegepersonal wird ja mit einbezogen. Die Eltern werden mit einbezogen, die Geschwisterkinder sogar. Und man kann damit vieles überbrücken. Man kann ihnen die Angst vor den Medikamenten nehmen."

Sprecherin:

Bevor die Clowns zu den Kindern gehen, wird mit den Psychologen besprochen, welche Kinder auf der Station liegen und wie es ihnen geht. Dann wird eingeschätzt, ob sie sich über einen Clownbesuch freuen würden oder nicht. Manchmal sind unter den Patienten auch junge Erwachsene, die dieser Therapie gegenüber nicht so aufgeschlossen sind. Im Gegenzug berichten die Clowns den Psychologen auch über ihre Arbeit mit den kleinen Patienten. In Bonn ist die ungewöhnliche Therapieform sehr erfolgreich, wie uns die Psychologin Barbara Roth-Scheffler berichtet.

Barbara Roth-Scheffler:

"Also, prinzipiell sehr positives Feedback. Es finden alle gut, weil wir auch merken, den Kindern tut das gut. Die tauchen in ‘ne andere Welt ab in der Zeit, wo die Clowns da sind."

Sprecher:
Der Begriff Feedback stammt aus dem Englischen und heißt so viel wie "Information" oder "Rückmeldung". Die Psychologin spricht von einem positiven Feedback. Das heißt, dass alle die Arbeit der Clowns für gut befinden. Vor allem deshalb, weil die Kinder mit Hilfe der Clowns in eine andere Welt abtauchen können - wie beim Tauchen im Meer, wenn man um sich herum die Unterwasserwelt wahrnimmt, die völlig anders ist, als die Welt über dem Meeresspiegel.

Sprecherin:

Jojo und Julie: So nennen sich die beiden Clowns, die auf der Bonner Kinderkrebsstation arbeiten. Jeden Dienstagnachmittag gehen sie zusammen in die Zimmer der Kinder und lassen sie für eine Weile ihre schwere Krankheit vergessen. Clown Julie erzählt:

Julie:
"Wir sind zwei Figuren, die auch miteinander befreundet sind. Und der Jojo, der ist... eigentlich ist es nämlich der ältere Clown, und wir gehen zusammen in die Clownschule. Aber der ist ein bisschen dumm. Und der ist nämlich auch schon mal sitzen geblieben, aber das soll ich nicht erzählen. Und ich bin ein bisschen kleiner, gehe mit ihm in die Clownschule, bin dafür aber nicht ganz so dumm, dafür frech, aber benutz‘ immer den Jojo für alles. Weil: Er ist nämlich immer ganz lieb und macht alles, was ich ihm sage."

Sprecherin:

Mit der Hilfe der Clowns können sich die Kinder mit ihrer Krankheit ganz anders auseinander setzen. Manchmal schlüpfen sie dann in die Rolle der Ärzte und erklären zum Beispiel dem dummen Clown Jojo, wofür die ganzen Geräte um sie herum da sind und wie das mit den Pieksern ist.

Jojo:

"Wie man Piekser kriegt und wofür die ganzen Sachen da sind. Oder machen dann bei uns, oder meistens halt bei mir, irgendwelche Piekser. Also so Pflasterspiele, mit so 'nem Verband, mit so 'nem Tropf und da hängen sie mich dann dran und verbinden mich dann ganz stark."

Sprecherin:

Manchmal wird auch einfach zusammen gegurgelt.

Sprecher:

Der arme Clown Jojo - wenn ihn die kleinen Patienten pieksen. Das bedeutet nämlich, dass sie ihm zeigen, wie es ist, wenn man mit einer Nadel oder Spritze gestochen, also gepiekt wird. Was für niemanden besonders angenehm ist. Sehr unangenehm ist es auch, am sogenannten Tropf zu hängen. Ein Tropf ist ein Flüssigkeitsbehälter, der an einem Metallgestänge befestigt ist und meistens Medikamente enthält. Von dem Behälter geht ein Plastikschlauch ab, an dessen Ende eine Nadel ist, die permanent im Arm steckt. Tropfenweise, und daher rührt auch der Name Tropf, gelangt die Flüssigkeit durch den Schlauch in den Körper des Patienten, so dass er fortlaufend mit Medikamenten versorgt wird.

Sprecherin:

Die Clowns nehmen ihre Arbeit sehr ernst. Denn trotz der Späße, die sie mit den Kindern anstellen, sind sie sich ihrer Verantwortung bewusst. Sie selbst sehen sich als Mosaikstein in der psychosozialen Versorgung. Und natürlich ist es nicht immer einfach für die Clowns, bei dem Kampf, der um Leben und Tod geht, dabei zu sein.

Jojo:
"Manchmal, wenn man Clown ist, spürt man das nicht so. Dann tut man das weg, auch die Krankheit und auch die Gefahr der Kinder. Und manchmal kommt‘s dann wieder ganz plötzlich zu Bewusstsein. Oder wenn man dann auch hört, dass ein Kind entlassen worden ist, dann freut man sich, wenn es dann gesund ist, oder auch, wenn jemand gestorben ist, dann hört man das ja auch."

Sprecherin:
Obwohl die Clown- und Humortherapie sehr erfolgreich ist, wird die Arbeit der Clowns in Deutschland von staatlicher Seite nicht unterstützt. Die Finanzierung läuft ausschließlich über Spenden und Sponsoren, wie Dr. Petra Klapps berichtet:

Dr. Petra Klapps:

"Hier ist Deutschland eindeutig das Schlusslicht, kann man sagen. Drumherum - in England - zahlen Krankenkassen inzwischen die Humor- oder Clowntherapie. Italien ist eingestiegen, auch mit staatlicher Finanzierung. Belgien, Niederlande und Frankreich sind dabei. In Deutschland ist die Idee überhaupt noch gar nicht so sehr verbreitet, dann überwiegend im Kinderklinikbereich. Hier sind Clowns nach wie vor auf Sponsoren angewiesen, das heißt, es ist eine sehr wackelige Angelegenheit."

Sprecher:

Deutschland ist das Schlusslicht. Das bedeutet, dass es an letzter Stelle steht hinter all den anderen Ländern, für die die Clown- und Humortherapie bereits ein fester Bestandteil der gesundheitlichen Versorgung ist.
agloco.com
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