Sonntag, 25. Februar 2007
(All)tag

Einen guten Tag wünscht man, für den Tagesanbruch sorgt die Erdumdrehung, und der Alltag kommt von allein. In der Sprache muss der Tag für vieles alles herhalten - weit über den Zeitraum von morgens bis abends hinaus.

Zum Alltag wird der Tag durch die Gewohnheit, Tag für Tag heißt es aufstehen, mit den Kindern noch frühstücken, zur Arbeit gehen, die Nachbarn und Kollegen treffen, freundlich dem Chef einen guten Tag wünschen, denselben Platz im Büro oder an der Maschine einnehmen und so weiter.

Tagaus, tagein
Dieses tagaus, tagein dasselbe tun, die Wiederkehr des Gleichen und Gewohnten, wird manchen oft zu viel oder eher zu wenig, weil zu wenig anregend, aufregend und abwechslungsreich. Ein Ausflug, Urlaub oder auch ein Hobby können da helfen, aus dem Alltag bzw. dem täglichen Einerlei auszubrechen.

Doch das Besondere ist eine flüchtige Angelegenheit. Auch die ausgefallenste Sache wird durch häufige Wiederholung alltäglich, ob es nun feines Essen, ein Autorennen oder die Sonne des Südens ist. Selbst wer die Nacht zum Tag macht und lieber dann arbeitet oder feiert, wenn andere schlafen, wird dessen irgendwann müde.

Typen gibt’s
Nicht nur Nachtmenschen brauchen ein tolerantes Umfeld. Wer jeden Sinn für die Realität verloren hat und in der Welt seiner Fantasie lebt, ist ein Tagträumer und mithin schwer zu ertragen. Nicht einfacher ist der Umgang mit denen, die so in den Tag hinein leben und angesichts von Spülbergen in der Küche und dem überquellenden Mülleimer das Motto vertreten: "Morgen ist auch noch ein Tag". Dazu braucht es einen toleranten Partner oder einen, der auch gerne putzt. Andererseits, wer den lieben langen Tag kaum etwas anderes macht als Fenster putzen, Staub wischen und Gläser polieren, benötigt ebenfalls einen Menschen mit viel Gleichmut an seiner Seite.

Derlei Charaktere zeigen sich natürlich erst, wenn aus der flüchtigen Bekanntschaft mehr geworden ist. Spätestens dann sollte man genauer über die Beziehung nachdenken und die Dinge bei Tag besehen. Und dann nicht ewig und drei Tage warten, bis man dem geliebten Menschen sagt, dass man offene Zahnpastatuben auf den Tod nicht ausstehen kann und die Butter nicht ins Gemüsefach gehört. Nachsicht ist aber Frauen gegenüber geboten, die gerade ihre Tage haben: Menstruationsbeschwerden führen bisweilen zu schlechter Laune und können sehr schmerzhaft sein. Wenn sich Charaktere allerdings wie Tag und Nacht unterscheiden, steht so manche Partnerschaft von Beginn an auf dem Prüfstand.

So ein Tag, so wunderschön wie heute
Tage stehlen ist zwar nicht strafbar, aber Menschen, die es tun, sind ärgerlich. Meistens handelt es sich um aufdringliche Vertreter, die einem an der Tür einen Staubsauger aufschwatzen wollen oder um den Nachbarn, dessen ausführlich erzählte Krankheitsgeschichte kein Ende finden will.

"So ein Tag, so wunderschön wie heute, der sollte nie vergehen", wird in einem alten Mainzer Karnevalslied gesungen. Für manchen kann er nicht schnell genug zu Ende gehen. Die Zeugnisausgabe, das von Turbulenzen geschüttelte Flugzeug, die Geschwindigkeitskontrolle, wo man es grad doch so eilig hat - all diese Ereignisse dienen dazu, einem den Tag kaputt zu machen. Der geht natürlich weiter, doch am liebsten würde man ihn aus dem Kalender streichen. Das gilt übrigens auch für Tage, an denen man seine Kaffeetasse umstößt, den Bus zur Arbeit verpasst und dabei auch noch das Handy zu Hause vergisst. Dann heißt es für viele: Das ist nicht mein Tag!

Aller Tage Abend
Wer betont, man solle den Tag nicht vor dem Abend loben, ahnt vielleicht, dass da im Laufe des Tages noch eine böse Überraschung droht. Ein Pessimist ist er deshalb noch nicht, es sei denn, er lobt aus schlechter Gewohnheit gar nie, weil immer noch etwas schief gehen kann. Es ist nicht aller Tage Abend kann man dagegen eindeutig dem Optimisten zuschreiben. Und besser ist es ja auch, immer noch auf eine gute Wende zu hoffen.

Unsere Tage sind gezählt, das wissen wir, wenn wir nicht wissen, wie viele es noch genau sind bis zu unserem Tod. Besonders wenn wir selbst oder Freunde oder Verwandte von Krankheit betroffen sind, wird uns diese Endlichkeit deutlich und mit ihr die Einsicht des carpe diem – nutze den Tag! Vom Jüngsten Tag zu sprechen hat immer etwas Bedrohliches. Unheilvolles schwingt hier mit, obwohl der Jüngste Tag doch im Grunde nur ankündigt, dass das eine vergeht und das andere kommt. So folgt auf den Jüngsten Tag (zumindest nach christlicher Überzeugung) ein neuer Morgen.

Fragen zum Text
Wenn jemand tagaus, tagein dasselbe tut, dann...
1. macht er/sie die Nacht zum Tage.
2. lebt er/sie in den Tag hinein.
3. kehrt schnell der Alltag ein.

Ein Tagträumer ist jemand, der...
1. tagsüber schläft.
2. tagelang schläft.
3. jeden Sinn für die Realität verloren hat.

Wer betont, man solle den Tag nicht vor dem Abend loben...
1. ahnt noch eine böse Überraschung.
2. ist ein Pessimist.
3. hat einen schlechten Tag gehabt.

Arbeitsauftrag
Tun Sie tagein, tagaus dasselbe? Ist in Ihrem Leben schon der Alltag eingekehrt? Beschreiben Sie Ihren Tagesablauf in einem kurzen Aufsatz. >>Günther Birkenstock<<
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