Dienstag, 6. März 2007
Doppelwörter - „Eins plus eins ist drei!“

Deutsche lieben es, Wörter zu neuen Wörtern zusammen zu setzen. Aber wie können diese neuen Wörter eine andere Bedeutung haben als die, aus denen sie bestehen? Alles eine Frage der Kombination.

Die deutsche Sprache ist voller Wörter, die eigentlich Doppelwörter sind – zusammengesetzt aus Wörtern, die sich auch einzeln verwenden lassen: Autobahn, Grießpudding, Raumfahrer, Dichterwort, Haustür, Alleskönner, Angsthase, Schadenfreude, Bauplan – wer wollte, könnte ein ganzes Lexikon nur mit solchen Komposita füllen.

"Eins und eins ist zwei?"
Wenn zwei Wörter zusammentreffen, addiert sich oft nur die Bedeutung der beiden Einzelwörter: ein Grießpudding ist ein Pudding aus Grieß, die Haustür die Tür ins Haus und die berühmte Schadenfreude die Freude am Schaden anderer. Doch die Autobahn ist nicht nur eine Straße für Autos. Zwar dürfen die auch da drauf, aber Motorräder und Lkw eben auch. Vielleicht sollte man sie deshalb auf Radbahn umtaufen. Fußgänger sind auf der Autobahn verboten. Auch am Rand. Es gibt keinen Fußweg entlang der Autobahn. Und keinen Zebrastreifen.

Diese Mehrbedeutung ist den Einzelwörtern Auto und Bahn nicht anzumerken. Sie ergibt sich erst, wenn sie zusammenkommen. So wie Zebra und Streifen zusammen plötzlich einen Fußgängerüberweg meinen. Das ist das Besondere an solchen Komposita – sie enthalten mindestens ein Quäntchen mehr an Bedeutung, als in den Einzelwörtern für sich genommen steckt.

"Eins und eins ist drei!"
Nicht selten entsteht sogar aus zwei Wörtern ein drittes Wort mit völlig neuer Bedeutung. Zum Beispiel Sitzfleisch. Man könnte meinen, das sei nur der Körperteil, auf dem man sitzt. Stimmt schon – aber auch wieder nicht. Wer Sitzfleisch hat, ist nämlich jemand mit Geduld. Mit der Ausdauer, sich auf den Hosenboden zu setzen und nicht eher aufzustehen, als bis die Aufgabe beendet ist.

In dem zusammengesetzten Wort erscheint so eine Bedeutung, die den beiden Ausgangswörtern nie anzumerken gewesen wäre. Nehmen Sie den Junggesellen. Der braucht nicht besonders jung zu sein; gesellig schon gar nicht. Denn der Junggeselle – ob jung

oder alt – ist einfach ein Mann, der nicht verheiratet ist. Ein Hochstapler ist nicht jemand, der einen hohen Stapel aufrichtet. Sondern immer ein Betrüger.

Tiere, die es nur in Deutschland gibt?

Eine Schlafmütze ist auch kein Kleidungsstück (das war sie früher einmal), sondern ein Mensch, der oft müde ist und gern viel schläft. Spaßvögel und Angsthasen sind keine seltenen Tiere, die nur in Deutschland vorkommen. Sondern Menschen, die gerne scherzen, oder die sehr ängstlich sind – so sehr, dass es schon wieder erlaubt ist, über sie zu schmunzeln.

Dagegen ist ein Klatschmaul nicht mehr als die Worte "Klatsch" und "Maul" schon besagen: jemand, der das Maul aufreißt und gerne über andere herzieht. Ohne Rücksicht darauf, ob ihnen das recht wäre oder es sie verletzen könnte. Das ist eben Klatsch.

Der beliebte Kaffeeklatsch
Nur wenn der Klatsch mit Kaffee verbunden wird, entsteht etwas ganz Neues: der Kaffeeklatsch. Das ist dann kein Klatsch mehr und auch keine Kaffeespezialität. Sondern ein Zusammensein bei Kaffee und Kuchen, bei dem alle vertraut miteinander reden. In Nordamerika hat man das Wort mit derselben Schreibweise und derselben Bedeutung ins Englische übernommen.

Überhaupt sind es gerade die Zusammensetzungen, die man sich in anderen Sprachen gern beim Deutschen ausleiht. Etwa den Besserwisser. Der weiß es nicht unbedingt besser. Vielleicht glaubt er das auch nur. Aber er ist immer jemand, der seinen Mitmenschen auf die Nerven geht. So einer heißt heute auch auf Finnisch "besservisseri".

Bekannt und bewährt – der Kindergarten
Ein Wort wie "Kindergarten" ist schon sehr früh, wenige Jahre nach seiner Erfindung in Deutschland ins Englische übernommen worden. Niemandem braucht man heute noch zu erklären, dass der Kindergarten kein Garten für Kinder sondern eine Art Vorschule ist. Wenn scherzhaft von kleinen Kindern die Rede ist, spricht man auf deutsch übrigens auch schon mal von "Dreikäsehochs". Das sind dann genau genommen bereits drei Wörter, denen jedes für sich nicht anzusehen ist, dass von Kindern die Rede ist. Aber für solche Fälle brauchen Sprecher eben ein wenig "Fingerspitzengefühl".

Fragen zum Text
Wenn Deutsche zwei Wörter verbinden...
A. tun sie das nur in Ausnahmefällen.
C. behält jedes Wort seine Bedeutung.
C. ergibt sich mehr an Bedeutung, als die Einzelwörter enthalten.

Spaßvögel...
A. sind seltene Tiere, die es nur in Deutschland gibt.
B. sind einfach Menschen, die gerne lustig sind.
C. waren früher häufig und sind heute ausgestorben.

Beim Kaffeeklatsch...
A. klatschen Deutsche traditionell in die Hände.
B. gibt es Kuchen zum Kaffee und man erzählt sich das Neueste.
C. treffen sich nicht nur Deutsche, sondern auch Amerikaner.

Arbeitsauftrag
"Komm mit über die Straße. Sei doch nicht so ein Angsthase!"
"Ich bin nur vorsichtig. Hier gibt es schließlich keinen Zebrastreifen!"

Schreiben Sie in Zweiergruppen kleine Dialoge, in denen Sie deutsche Komposita verwenden – Wörter, die aus mehreren Wörtern zusammengesetzt sind und eine neue Bedeutung angenommen haben. >>David Eisermann<<
agloco.com
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