Dienstag, 5. Juni 2007
Der Liegesitz

Das Gegenteil von Aussitzen ist keineswegs Einsitzen. Für alle, die im Sitzen liegen wollen - und umgekehrt - gibt es Liegesitze. Die haben schon vor vielen Jahren Generationen von Autofahrern viel Freude gemacht.
Wann war das eigentlich, als die Autohersteller in ihrer Werbung den ‚Liegesitz’ als besonderes Ausstattungsmerkmal hervorhoben? Es ist zumindest schon eine ganze Weile her und die Generation, die damals den Liegesitz nicht ausschließlich zum Ausruhen auf Rastplätzen bei langen Autobahnfahrten nutzte, ist längst in die Jahre gekommen.
Sitzen ist nicht gleich sitzen
Sitzen und liegen sind Verben, also Tätigkeitswörter wie man altmodisch sagen würde, aber was tut denn ein Mensch, der sitzt oder liegt? Er tut eigentlich nichts. Oder etwa doch? Er denkt vielleicht an die Ferien oder er ist in seinen Sitz in der vollen S-Bahn gequetscht und kann es kaum abwarten, bis er endlich aussteigen kann.
Natürlich kann er auch ganz entspannt in seinem Sessel sitzen und lesen oder fernsehen. Aber sitzen ist nicht gleich sitzen. Wer sich beim Zahnarzt im Wartezimmer niedergelassen hat und gerade noch so auf der Stuhlkante Halt findet, der sitzt eigentlich nicht richtig. Zumindest nicht entspannt.
Sitzen und Sitzenbleiben
Sitzen ist, was die statische Befindlichkeit des menschlichen Körpers angeht, das Mittel von Stehen und Liegen. Wer bei ‚sitzen’ an Stuhl, Hocker und Sessel denkt, an Sitzmöbel also, sollte nicht vergessen, dass man auch ohne sie sitzen kann. Wir sind es aber nicht mehr gewohnt und finden es auch mit Sitzkissen schnell unbequem, auf dem Boden zu sitzen, im Schneidersitz mit untergeschlagenen Beinen, oder gar wie die Indianer in der Hocke, wobei nur der Fußballen den Boden berührt.
Auch das ‚Still-Sitzen’ fällt vielen schwer, da wird ständig mit einem Bein gewippt, hin- und hergerutscht oder gekippelt. Ganz entspannt sitzen, das ist ein Zeichen von Gelassenheit. Das „Sitzenbleiben“ allerdings hat mit entspannter Haltung nichts zu tun. Ein Sitzenbleiber hat das Klassenziel nicht erreicht – wie es so nett heißt – und muss ein weiteres Jahr die sprichwörtliche „Schulbank drücken“.
Die Politik des Aussitzens
Wenn wir schon bei den übertragenen Bedeutungen von ‚sitzen’ sind, darf das seit der sehr langen Regierungszeit eines deutschen Bundeskanzlers zum festen Bestandteil unseres Wortschatzes gewordene „Aussitzen“ nicht fehlen.
Es bezeichnet die wundersame Fähigkeit, Probleme dadurch zu lösen, indem man sie einfach dem Lauf der Zeit anheim gibt und aufmerksam beobachtet, wie sie allmählich von der Gegenwart in die Vergangenheit hinüber gleiten, wo sie sich dann irgendwann auflösen. „Aussitzen“ ist eine Kunst. „Einsitzen“ eine Strafe. Im Amtsdeutsch würde man dafür sagen; „eine Haftstrafe verbüßen“.
Sitzen wir noch oder liegen wir schon?
„Wie man sich bettet, so liegt man“ heißt es im Volksmund. Das ist durchaus wörtlich zu nehmen. Umgangssprachlich jedoch wird die übertragene Bedeutung viel häufiger gebraucht. „Du bist schon selber dafür zuständig, wie es in deinem Leben aussieht.“ So ungefähr ließe sich diese Redensart deuten.
Bleiben wir aber beim Liegen, jener entspannten Körperhaltung, die sich – es sei denn, man muss krank im Bett liegen – allergrößter Beliebtheit erfreut. Lang ausgestreckt auf dem Sofa oder im Gras liegen oder es sich - alle Viere von sich gestreckt - im großen Sessel bequem machen. Ist das noch Sitzen oder schon Liegen? Die Grenzen sind da fließend. Wer in der heimischen Wohnlandschaft rumfläzt, also unter Aufgabe jeglicher Körperspannung irgendwie in den Polstern hängt, der sitzt nicht mehr, sondern liegt schon fast.
Dafür sind wir bekannt
Auf der Seite liegend, Kissen unterm Kopf, Knabberzeugs in der Nähe und ein guter Film im Fernsehen - das liegt uns Deutschen laut Umfrage ganz besonders. Mal alles stehen und liegen lassen, sich eine Auszeit gönnen und sich hinsetzen oder –legen ist ja auch eine feine Sache. Wenn nicht auf der Couch dann in beziehungsweise auf so einen superbequemen Sessel. Da ergibt sich dann jene Körperhaltung, die der eingangs erwähnten im Liegesitz schon recht nahe kommt.
Fragen zum Text
Wenn man Probleme aussitzt, dann…
A. überlässt man sie dem Lauf der Zeit.
B. löst man sie sofort.
C. findet man schnell eine Lösung.
Jemand der einsitzt,…
A. macht es sich auf einem Sessel bequem.
B. nutzt den Liegesitz im Auto.
C. verbüßt eine Haftstrafe.
Wie man sich bettet, so liegt man bedeutet…
A. man ist selber dafür zuständig, wie es in seinem Leben aussieht.
B. ohne Decke friert man.
C. im Stehen schlafen ist ungesund.
Arbeitsauftrag
Konjugieren Sie folgende Verben: sitzen, liegen, stehen und laufen.
>>Michael Utz<<

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